Astrid Lindgrens Welt – wiedewiedewie sie mir gefällt.

Astrid Lindgrens Welt – wiedewiedewie sie mir gefällt.

Vielen Dank an Mirjam Nietz, die für uns einen Beitrag über Astrid Lindgrens Welt im schwedischen Vimmerby verfasst hat. Mit Mirjam verbindet uns das gemeinsame Skandinavistikstudium. In ihrem Blog Kaffiknopf – Alltagsheldenmut und Nähwut schreibt sie poetische Geschichten über das Leben, kleine Erzählungen für Kinder und eben Reiseberichte aus dem hohen Norden.

Astrid Lindgrens Welt

“Komm wir gehen in die Krachmacherstraße!”
“Aber in Katthult muss Michel gerade mehr Männchen machen!”
“Nein – ich will zu allererst zu Pippi!”

Wir drehen und wenden die niedliche Karte im Strom der anderen Besucher und verstehen sofort, warum es gleich vorm Eingang im Grünen einen Campingplatz gibt – hier kann man auch tagelang verweilen.

Diese kleine Sehnsucht, die manchmal auftaucht: nur einen klitzekleinen Tag lang nochmal Kind zu sein; zum Donnerdrummel, die wird hier, kurz vor Vimmerby, also Wirklichkeit.


Astrid Lindgrens Welt

Und wir dachten, wir fahren für die Kinder in Astrid Lindgrens Welt – und nun sind es unsere Augen, die brennen. Es gibt so etwas wie zufriedene Tränen – Seligkeitstränen hätte Astrid Lindgren sie genannt, ganz bestimmt. Die laufen nun verstohlen hier und da bei uns Großen, die wir unsere Kinder in der Frühe geweckt und Picknickkörbe mit Fleischklößen und Zimtschnecken befüllt haben – und selber ja auch schon, damals, uns die Welt machten, wiedewiedewie sie uns gefiel.
Was haben wir nicht mit Alfred im Schnee gefiebert und alle Jahre wieder mit Ronja auf Weihnachten gewartet; mit Gänsehaut auf dem Rücken, weil die Wilddruden so schön schauerten.

Und was den Kindern beim Lesen in ihrer Fantasie immer möglich ist, dass sie eins, zwei, drei in die Geschichten klettern und mittendrin sind, alles zum Greifen nahe sehen; ja das passiert hier nicht nur im Geheimen.

Pippi wäscht die kunterbunte Wäsche vor ihrer Villa und bringt Fräulein Prysselius zur Weißglut. Rasmus und Gottes Zaunkönig landstreichern singend auf den Wegen umher, Michel (der im Original Emil heißt, aber das kann Vater Anton genauso gut brüllen, wenns wieder Unfug gibt) kommt auf Lukas geritten. Klein-Ida gewinnt das Rückwärts-durch-die-Beine-Hufeisenwerfen gegen Michel und Krösa Maja, bevor die nächste Vorstellung beginnt. Nachdem Linas Zahn sich partout nicht ziehen lassen wollte, dürfen alle, die wollen, ins Haus oder in den Tischlerschuppen reingucken.

Bullerbü, Birkenlund, Polly Patent und die kleine Krachmacherstraße, alles ist im Maßstab 1:3 nachgebaut. Aber bei Nils Karlsson Däumlings Haus ist es genau anders herum und wir brauchen nur auf den Nagel unterm Bett zu drücken und Killefips zu rufen. Schon sind wir winzig klein wie die Däumlinge und baden in der Seifenschale oder klettern, wenn wir es schaffen, auf Tische und Stühle.

Die Karawanen aus Bollerwagen und Kühlboxen ziehen überall durch den Park, ein fröhliches Miteinander-Gedrängel.

Wir picknicken im schattigen Heckenrosental. Krümel und Jonathan sind gerade nicht hier, wir toben durch die Häuschen, entdecken das geheime Versteck und klettern durch die Steinschluchten.
Aber jetzt müssen wir wirklich zu Ronja, die heute Ski fahren will im Räuberwald, und potzblitz – Schnee fällt tatsächlich auf uns alle nieder, auch wenn wir ein paar Meter weiter Hochsommer haben. Die Rumpelwichte tauchen auf, Mattis, Lovis und die Räuber singen herrlich schön und die Mädchenherzen um mich herum klopfen ein wenig lauter: Birk eilt herbei und befreit Ronja.

Überall gibts was zu spielen, zu finden, zu bestaunen. Wasser, Wald, Heu, Werkzeug, Holz. Wenns nach den Kindern ginge, würden sie sich noch viel mehr treiben lassen. Nur wir Eltern können doch nicht so ganz den Zeitplan und das Abhaken vergessen. Wir müssen uns entscheiden. Viele der Vorstellungen laufen parallel, sonst würden sich die Besucher längst nicht so gut verteilen. Madita, Liebling, dich besuche ich das nächste Mal.

Und da steht Mio, mein Mio unverhofft am Wegrand; wo uns doch das Lied schon die ganze Reise begleitet, und ist so wunderschön. Mit nicht mehr als einer Kiste, dem roten Umhang, und auch sein Vater, der König ist da, und sie fliegen, auf schwedisch, einmal quer durch das ganze Buch, und unsere Herzen verstehen alles, auch wenn wir kein Wort schwedisch sprechen. Die Zwei wechseln durch die verschiedenen Rollen, borgen sich ab und an jemanden aus dem Publikum dazu, verteilen das Brot und die Flöten an alle, die zuschauen – und es sehen können. Die drei Musiker da am Rand spielen das Lied. “Genom rosengården / Med de silverpopplar / Går jag med min fader, håller hårt hans hand…”

Auch wenn alles (unglaublich gute) Schauspielerei ist: es ist so märchenhaft und anrührend: wie Klein-Ida da steht und sich Zeit nimmt und ihre kleinen Fans umarmt, wie sich Mio und sein Vater, der König, nach der Vorstellung Kekse von unserer Jüngsten schenken lassen und ein wenig mit uns plaudern. Wie sie alle singen. Die, die hier arbeiten, spielen auch, irgendwie, und sparen nicht mit Herzblut.

Mancher mag sagen, es ist ein riesiger Kommerz, die Eintrittspreise sind saftig – und doch steckt ein größeres Herz immer noch dahinter. Ein Herz, dass nicht verlernt hat, Kind zu sein, keine Frage.
Eine Flasche Brause vom Limonadenbaum nehmen wir mit, und dies und das aus den kleinen Läden, weil wir was in die Hand brauchen, was wir festhalten können, wenn sich die Türen hier bald schließen und wir nach Hause müssen, wieder groß sein und stark.

Die Krachmacherstraße gibt es am Ende auch noch einmal in normaler Größe. Wie oft habe ich mich beim Vorlesen schon mit Lotta auf dieses geheimnisvolle braune Paket gestellt, bin auf Tante Bergs Fahrrad gestiegen und die Straße runter gesaust – und jetzt stehen wir hier, in der Krachmacherstraße – und alles ist da und richtig. Die Post, A. Larssons Bäckerei, Tante Bergs Haus, Lottas kleines rotes Fahrrad, sogar Blohmgrens Tankstelle.

Und nach diesem heißen Tag geht jetzt ein sanfter Sommerregen nieder – wie im Bilderbuch. Die Musiker haben sich untergestellt, spielen “Faul sein ist wunderbar”, wieder und wieder – und wir müssen noch ein wenig mittanzen. Im Regen fetzt das am meisten.
“Dieser Tag, ein Leben” – dass das geht, ich wollts erst nicht glauben.

Mehr Infos

Auf der Seite Astrid Lindgrens Welt steht alles über den Park, seine Figuren und Geschichten, sehr schön und ausführlich aufbereitet.
Wer gern alles ganz in Ruhe erkunden will und keine Vorführung verpassen möchte, für den lohnt sich eine Jahreskarte, ein Ticket für mehrere Tage oder auch ein Kombiticket für Astrid Lindgrens Geburtsort Näs.

Im September ist der Eintritt (A.L. Welt) an den Wochentagen sogar frei, allerdings gibt es da keine Vorstellungen. Nur Spielen, spielen, spielen.

Text: Mirjam Nietz